Mittwoch, 5. März 2025

Fertig: Ein Kleid fast wie von Dior!

Heute möchte ich euch ein ganz besonderes Kleid zeigen, denn ich habe versucht, ein berühmtes Kleid von Dior nachzubilden: Virevolte (französisch für Drehung) aus der Herbst-/Winterkollektion von 1955.

Virevolte Dior 1955 selbstgenäht selfmade || beswingtesallerlei.de

Das Kleid wurde vor einigen Jahren mal von Dita von Teese getragen und seitdem wollte ich es gern nähen. Aber wie üblich gibt es für solche Kleider kein Schnittmuster und eines selbst zu erstellen, traute ich mir lange nicht zu. Nun aber wollte ich es ausprobieren.

Virevolte Dior 1955 selbstgenäht selfmade || beswingtesallerlei.de

Der erste Schritt, wenn man ein Kleidungsstück ziemlich oiginalgetreu nachnähen möchte, ist natürlich Recherche darüber, wie das Kleidungsstück aufgebaut ist. Ich wurde beim MET Museum fündig: Virevolte ist eigentlich ein Trois pièces (noch mehr französich), also ein dreiteiliges Kostüm aus Oberteil, Rock und Jacke.

Der Rock hat je zwei tiefe Kellerfalten vorn und hinten, deren ersten Zentimeter geschlossen werden, einen geraden, schmalen Bund, einen Abnäher in der vorderen Mitte, drei Abnäher in der hinteren Mitte und einen breiten Saum.
Das Oberteil ist vollgefüttert und geht eigentlich nur bis zur Taille; das darunter liegende Schößchen ist aus Futterstoff, damit an der Hüfte nur wenig Stoff aufeinander liegt. Das Oberteil hat angeschnittene kurze Ärmel mit einem Zwickel, einen ausladenden Kragen und eine Naht in der hinteren Mitte. Für eine bessere Passform hat es einen Taillenabnäher und einen Abnäher aus der Seitennaht und drei Knöpfe, wobei das Verschlussteil über die vordere Mitte hinaus bis zum Taillenabnäher läuft.
Die Jacke habe ich links liegen lassen, weil es mir eh um das Kleid ging und zudem schnell klar war, dass der Stoff dafür nicht reichen wird.

Virevolte Dior 1955 selbstgenäht selfmade || beswingtesallerlei.de

Ich habe mit dem Rock begonnen und ein sehr ähnliches Schnittmuster bei Burda gefunden (Modell 126 aus 06/2009). Ich habe gemessen, ordentlich Länge zugegeben und dann meinen Stoff zugeschnitten; das hat auch alles gepasst, aber durch die zusätzlichen Faltenteile lag so viel Stoff aufeinander, dass es mir zu üppig wurde. Ich habe schließlich die gesonderten Faltenteile weggelassen und nur tiefe Falten eingelegt; das Futter hat keine Falten bekommen, sondern besteht nur aus einem glockigen Rockteil. Den Abnäher vorn habe ich einfach freihändig abgenäht, hinten habe ich auf Abnäher verzichtet.

Außerdem habe ich den Reißer in die linke Naht gesetzt und in der rechten Naht eine Tasche eingesetzt; die Mühe, auch eine Nahttasche am Reißer einzusetzen, habe ich mir gespart. Aufgrund des ausladenden Rocks waren auch meine 3,5 Meter Stoff eher knapp und so konnte ich keinen breiten Saum machen, obwohl ich das empfehlen würde. Ein breiter Saum bietet mehr Spielraum bei der Länge, vermeidet ein Nach-Außen-Klappen des Saums und gibt dem Rock mehr Gewicht, sodass er schöner fällt.

Virevolte Dior 1955 selbstgenäht selfmade || beswingtesallerlei.de

Anschließend habe ich mir für das Oberteil aus einer alten Zeitschrift ein Kleid, das vom Schnitt her ähnlich war, ausgesucht und zunächst mal eine FBA (Full Bust Adjustment) und ein Probeteil gemacht. Nachdem das Probeteil wie gewünscht saß (links), habe ich es über die vordere Mitte laufend bis zum Taillenabnäher verlängert und anhand der Vorlage am Halsausschnitt ungefähr so eingeschnitten, wie die gewünschten Falten später laufen sollten (mittig), dabei habe ich darauf geachtet, dass die Einschnitte einerseits zur Stoffkante und andererseits in die Brustabnäher laufen. So haben sich die Brustabnäher verkleinert, als ich die Falten am Kragen aufgedreht habe (rechts).

Virevolte Dior 1955 selbstgenäht selfmade || beswingtesallerlei.de

Die Abnäher, die am Kragen entstanden sind, habe ich dann nicht als Abnäher abgenäht, sondern in Falten gelegt. In der Zeichnung habe ich unberücksichtigt gelassen, dass mein Oberteil angeschnittene Ärmel hat, aber ich denke das Prinzip ist trotzdem verständlich. Und wer sich das Aufdrehen des Schnittmusterteils in bewegten Bildern anschauen möchte, wird übrigens hier bei Instagram fündig.

Zudem habe ich einen Kragen konstruiert und der Länge nach so angepasst, dass die Enden zum einen unter einer Falte und zum anderen unter dem Verschlussteil liegen.

Geschlossen wird das Oberteil durch die drei Knöpfe in der vorderen Mitte und zwei versteckte Druckknöpfe, nämlich je einen an der Kante des überlappenden Oberteils oben direkt am Kragen und in der Taille. Und ich bin sehr begeistert, dass die Kante des überlappenden Oberteils so schön anliegt und kaum aufklappt.

Vermutlich werde ich aber zwischen Oberteil und Rock noch zwei Druckknöpfe anbringen, weil sich in Bewegung das Futterschößchen des Oberteils etwas aus dem Rock herausarbeitet; vielleicht ist es etwas zu taillenkurz geraten. Und ich werde am Vorderteil bei den Falten noch ein paar Handstiche machen, damit die Falten sich schön legen und der Stoff am Dekolleté nicht so unruhig wirkt.

Virevolte Dior 1955 selbstgenäht selfmade || beswingtesallerlei.de

Der Stoff ist übrigens ein grauer Wollmisch, laut Etikett "Denim Wool". Weil das Kleid kurzärmelig ist, habe ich extra keinen reinen Wollstoff genommen, denn ich werde das Kleid jetzt im Frühling und später im Herbst tragen. Ich habe den Stoff, zusammen mit dem Futterstoff von Neva'viscon und diversen anderen Stoffen, als Konvolut in den Kleinanzeigen zwei Dörfer weiter entdeckt und zu einem unverschämt günstigen Preis gekauft; insofern ist mein Virevolte ein echtes Schnäppchen.

Virevolte Dior 1955 selbstgenäht selfmade || beswingtesallerlei.de

Ich bin sehr stolz auf mein Kleid - die Schnittmusteranpassung hat im Wesentlichen so geklappt, wie ich es mir vorgestellt habe und ich finde, dass ich ziemlich dicht an Diors Virevolte herangekommen bin, oder was meint ihr? Dort, wo mein Kleid vom Original etwas abweicht, liegt es vor allem daran, dass ich mich dazu entschieden habe und das ist doch das Großartige beim Nähen, wenn man die Kleidungsstücke auch noch optimieren kann! Achja, und insbesondere finde ich super, dass ich den Rock auch zu anderen Oberteilen tragen kann, was ich auch schon fleißig getan habe!
Virevolte Dior 1955 selbstgenäht selfmade || beswingtesallerlei.de

Mittwoch, 1. Januar 2025

Rückblick 2024!

Traditionell beginnt das Jahr mit einem Rückblick auf das letzte Nähjahr. Um es mir ein bisschen einfacher zu machen, nutze ich einfach das Bild, welches ich bei Instagram verwandt habe - die Bilder sind sortiert nach den dortigen Likes.
Obere Reihe: Mein persönliches Highlight war natürlich die Teilnahme und der Sieg bei der Sewing Star Challenge von Burda - das Motto "Rüschen und Rosen" war nicht so meins, aber ich bin sehr glücklich mit meinem Kleid 123 aus der Burda 05/2019 und Bolero aus der Burda 06/1954; das Wollkleid aus Schwabe der neue Schnitt 08/1950; außerdem der Vergleich vom Kleid zum Original, ebenfalls Burda 06/1954.

Mittlere Reihe: Nahtstrumpfhose, bei der ich die Naht mit der Overlock selbst aufgebracht habe; die Hose für Weihnachten nach Simplicity 8243 ; die Stoffzusammenstellung des Wollkleides.

Untere Reihe: Das Wollhemd für den Gatten nach Simplicity 4760; das Cape 111 aus der Burda 08/2009; der Rock 106b aus Burda 05/2012!

Einen Liebling habe ich nicht, wobei das Cape und die Hose schon lange auf meiner Wunschliste standen und ich somit besonders froh bin, dass beide so schön geworden sind.

Und im nächsten Jahr? Ich lasse mich ein bisschen treiben und schaue mal, was das neue Jahr für mich bereit hält. Ein paar mehr alte Schnitte wünsche ich mir für das nächste Jahr mal wieder - immerhin habe ich ja mehrere hundert Zeitschriften und auch ausreichend Stoff, also da muss man doch was draus machen!

Soweit also von mir, was die anderen im letzten Jahr genäht haben und vielleicht auch was sie dieses Jahr vor haben, findet ihr übrigens beim MeMadeMittwoch!

Und ich möchte auch auf die monatlichen Stoffspielereien hinweisen - immer am Ende des Monats werden sehr coole Ideen und Techniken zu einem Thema gesammelt! Macht doch mal mit!

Sonntag, 22. Dezember 2024

Fertig: Eine Hose für Weihnachten - Simplicity 8243!

Pünktlich zum Finale bin ich mit meiner ersten Hose fertig geworden.


Der Stoff ist ein bordeauxroter Wollstoff mit leichter Struktur, leider weiß ich nicht mehr, woher ich ihn habe, aber ich liebe die Farbe der Hose jetzt schon!

Der Schnitt ist Simplicity 8243, eine Reproduktion aus den 1940er Jahren mit Hose, Bluse und Jacke.


In dem Schnitt sind Nahttaschen vorgesehen, aber die sperren oft auf, also habe ich stattdessen Hüftpassentaschen eingefügt.


Ich habe sehr viele Anpassungen an der Hose vorgenommen. Unter anderem habe ich die Taille um 10cm verringert, die Leibhöhe um 2cm gekürzt sowie in der hinteren Mitte für's Hohlkreuz etwas weggenommen und die Schrittkurve deutlich verändert.

Alles in allem bin ich sehr zufrieden mit meinen Änderungen. Dennoch gibt es hier und da noch etwas Verbesserungspotenzial, vor allem ist es um die Hüfte ein bisschen eng geworden. Da hätte ich sogar noch Zugabe zum Auslassen gehabt, aber ich habe für die Hüftpattentaschen den Stoff eingeschnitten, damit die Taschenzugaben sich besser legen, und das war eine ziemlich blöde Idee, denn dann konnte ich natürlich nichts mehr an der Weite ändern.

Außerdem glaube ich, dass ich die Schrittkurve noch etwas weiter vertiefen könnte, und ich bin mir gar nicht mehr so sicher, ob die Verringerung der Leibhöhe wirklich erforderlich gewesen ist oder ich dadurch nicht einfach nur den Schritt etwas höher gezogen habe, obwohl die alten Hosen ja einen etwas tieferen Schritt hatten, was den lässigen Schnitt unterstreicht.


Ich kann trotzdem mit Fug und Recht behaupten, dass dies die bestsitzendste Hose ist, die ich jemals besessen habe. Der Bauch passt rein und ist trotzdem nicht ganz so prominent und es zieht kein Stoff ins Gesäß.


Die Hose hat einen Reißer in der Seitennaht und einen Hakenverschluss am Bund. Der Bund hat eine Paspel bekommen und die Vorderhose habe ich außerdem bis zum Knie gefüttert, also das Futter mit dem Stoff zusammengeheftet und gemeinsam versäubert und dann als eine Lage weiterverarbeitet.


Ich bin sehr glücklich mit meiner Hose und froh, dass ich dieses Thema endlich angegangen bin - ich möchte auch noch eine Hose nähen, allerdings dann mit etwas mehr Weite und gerne wolliger und mit Hosenbeinaufschlägen.

Sonntag, 15. Dezember 2024

Eine Hose für Heiligabend - Zwischenstand!

Schon der zweite Zwischenstand mit der Hose für Heiligabend. Ich bin gut vorangekommen und habe die Hose bereits zusammengefügt.

Das Futter in der Vorderhose habe ich an den Nahtzugaben und der Bügelfalte mit der Hand geheftet und dann beide Lagen an den Kanten versäubert und anschließend als eine Lage weiterverarbeitet. Die Hinterhose habe ich gedehnt, sie braucht an der Beininnennaht ungefähr 2cm mehr Länge, weil dort der Stoff um das Gesäß herum muss.


Um die Hinterhose entsprechend in Form zu bringen, also zu dressieren, wird der Stoff mit Dampf und Druck in die Länge gezogen. Das geht natürlich nicht mit synthetischen Stoffen, sondern nur mit Naturfasern und am besten Wolle. Mit Hitze, Feuchtigkeit und Druck lässt sich der Stoff entweder dehnen oder auch kurzbügeln.

In der Beininnennaht habe ich Länge hinzugefügt, damit diese an die Beininnennaht der Vorderhose passt, ohne dass dadurch zu viel Länge unterhalb des Gesäßes entsteht.

In der Schrittkurve habe ich vor allem die Nahtzugabe gedehnt, damit sie sich nicht sperrt. Die Kurve in der Schrittnaht ist an der Kante kürzer als an der Naht und bügelt man den Stoff nach dem Zusammennähen auseinander, dann braucht die Stoffkante mehr Länge, um sich schön zu legen. Wir kennen das von anderen Rundungen, wo man oftmals auch die Nahtzugabe einschneidet, damit sie sich entspannt legt, aber Einschneiden sollte man an einer Stelle, die stark beansprucht wird, vermeiden, damit man keine Schwachstellen schafft, an denen der Stoff reißt; hier wird also gedehnt.


Auch der Reißer ist inzwischen eingesetzt. Die Hüftpassentaschen habe ich bis zur vorderen Mitte gezogen, aber leider hatte ich zu wenig Weite vorgesehen und so spannte die Hose, also habe ich die Taschen doch wieder trennen müssen; die Taschen werden aber großzügig oben am Bund mitgefasst, sodass sie wohl auch so vernünftig sitzen werden.

Bis zum Finale beim MeMadeMittwoch in der nächsten Woche muss ich noch den Bund annähen - ich möchte einen Formbund und nicht den vorgesehenen geraden Bund, weil der oft nicht richtig sitzt. Dann muss ich noch die Länge festlegen und die Säume nähen und am Ende natürlich meine Heftfäden entfernen und andere Abschlussarbeiten. Also schon noch einiges zutun, aber ich bin optimistisch, dass ich in der kommmenden Woche die Zeit dazu finden werde.

Sonntag, 8. Dezember 2024

Eine Hose für Heiligabend - Zwischenstand!

Wer Kleidung selbst näht, von dieser Kleidung einen guten Sitz erwartet und nicht ganz zufällig exakt mit den Maßtabellen der Schnitthersteller übereinstimmt, der wird irgendwann Anpassungen machen müssen. Und es sei auch mal erwähnt, dass das gar nicht so leicht ist. Dabei meine ich nicht die Anpassung selbst, sondern sich überhaupt damit zu beschäftigen, wo am eigenen Körper die Ungereimtheiten liegen, wo man selbst vom "Standard" abweicht. Ist die Brust zu groß? Ist das Gesäß flach? Ist die Schulter abfallend? Sind die Beine kurz?

Falls ihr euch mit Anpassungen beschäftigen wollt oder sogar schon mitten drin seid, hier der wichtige Hinweis: Die Beine sind nicht zu kurz, sondern nur ein bisschen kürzer als in diesem Schnittmuster vorgesehen und das Gesäß ist auch nicht zu flach, sondern nur weniger üppig als die Jeans geschnitten ist. Die Brust ist nicht zu groß, sondern sie braucht einfach nur etwas mehr Platz. Es gibt keinen Standard und es gibt übrigens auch keine völlig faltenfreie Kleidung, wenn ihr euch ab und zu mal bewegen wollt! Mode und Kleidung sind auch Ausdruck und nicht selten emotional behaftet, aber bei Schnittanpassungen geht es um sachliche Zahlen, um Maße, um Fakten; das kann anstrengend sein. Seid nicht streng zu euch oder eurem Körper, gönnt euch zwischendurch auch mal eine Pause und einen nüchternen Blick - das wird sich lohnen!

Nun aber zu meiner Hose für Heiligabend, denn ich habe ein Probeteil genäht.. okay, ich habe drei Probeteile genäht und diverse Male verändert. Aber eins nach dem anderen. Zunächst habe ich mir nochmal angeschaut, wie eine Hose eigentlich aufgebaut ist, denn ich finde das bei einer Hose gar nicht mal so selbsterklärend.

Eine Hose besteht klassischerweise aus einer Vorder- und einer Hinterhose. Die Länge an der Seitennaht und die Höhe des Bundes, wenn er vorhanden ist, entsprechen der Hosenlänge. Die Sitz- oder Leibhöhe ist die Länge von Bund zum Schritt; sie wird am Körper in aller Regel im Sitzen gemessen. Die Länge vom Schritt zum Saum ist die Innenbeinlänge.

Die Hüftlinie beschreibt zumeist die weiteste Stelle der Hose, denn dort ist unser Körper in der Regel auch am weitesten, wobei sich das etwas verschieben kann, wenn man ein ausgeprägtes Gesäß oder einen ausgeprägten Bauch hat. Die Hüftlinie ist in der Hinterhose etwas geneigt, weil die Strecke zwischen Schritt und Hüfte weiter ist als im Vorderteil oder an den Seitennähten. Die Schrittlinie liegt auf der Höhe, wo der Schritt der Hose liegt, also sich die Innenbeinnähte und die Schrittkurve oder Schhrittnaht, die von der vorderen Mitte durch den Schritt zur hinteren Mitte verläuft, treffen. Die Schrittkurve ist am Vorderteil viel weniger ausgeprägt und kürzer, weil wir Frauen vorn weniger Länge im Schritt brauchen als hinten am Gesäß; ebenso ist die Vorderhose etwas schmaler als die Hinterhose.

Ich habe das Schnittmuster zunächst unverändert in der Größe genäht, die meinem Hüftmaß entsprach. Achtung: Simplicity hat - wie übrigens auch Vogue, Butterick und McCalls - oft recht großzügige Bequemlichkeitsweiten, achtet daher immer auf die Fertigmaße. Die Fertigmaße findet ihr auf dem Schnittmusterbogen an Brust, Taille und Hüfte.

Meine Probehose hatte vor allem zwei Probleme, nämlich in der Taille war sie zu weit und hinten zog sich der Stoff in das Gesäß - wenig charmant nennt man das "Arsch frisst Hose".

Beide Probleme habe ich erwartet, denn es sind genau die gleichen Probleme, die ich auch bei Kaufhosen regelmäßig habe.

Das Problem in der Taille habe ich pragmatisch gelöst und ab der Hüfte zur Taille einfach in beiden Seitennähten 2cm weggenommen, also die Taillenweite insgesamt um 8cm verringert; die Bundfalte vorn und die Abnäher hinten habe ich anschließend etwas verschoben, damit die Proprtionen gleich bleiben. Im weiteren Verlauf habe ich auch in der hinteren Mitte nochmal 4cm weggenommen.

Das Problem hinten ist ganz offensichtlich eine zu kurze Schrittnaht. Um die fehlende Länge hinzuzufügen habe ich zunächst im Schritt, also dort wo sich die vordere und hintere Mittelnaht und die Innenbeinnähte treffen, an der Hinterhose 2cm hinzugefügt. Außerdem habe ich ungefähr auf Höhe der Hüftlinie das Schnittmuster bis zur Seite eingeschnitten und dann um 2cm aufgeklappt.

Das Ergebnis war allerdings nur mäßig befriedigend. Zwar waren die Falten am Gesäß etwas weniger geworden, aber sie waren noch nicht weg. Außerdem waren plötzlich unterhalb des Gesäß noch andere Falten. Ich hatte durch das Aufklappen eben nicht nur die hintere Mitte verlängert, sondern bis zur Seitennaht Länge hinzugefügt und diese Länge stauchte nun; man kann getrost von verschlimmbessern sprechen.

Immerhin hatte ich bei meinem zweiten Probeteil aber schon Taschen hinzugefügt und die sehen gut aus - auf Anraten von Regina und Tina werde ich die Taschen aber noch bis zur vorderen Mitte ziehen. Der Vorteil von Taschen, die über das gesamte Vorderteil gehen und im Bund mitgefasst werden, ist zusätzliche Stabilität, denn die Taschenbeutel liegen dann immer glatt und die Tascheneingriffe sperren nicht auf, außerdem springt die Bundfalte nicht so abrupt auf.

Aber wie nun das Problem mit der hinteren Passform lösen? Ich habe eine zu kurze Schrittnaht, also muss ich diese verlängern ohne dass ich zusätzliche Länge in die Hinterhose bringe. Ich habe mir nochmal das Schnittmuster angeschaut und wenn man die Vorder- und Hinterhose dort aneinanderlegt, wo sie sich treffen, dann kann man gut sehen wie die Schrittnaht verläuft und welche Körperform wohl berücksichtigt wurde(links).



Meine eigene Körperform entspricht dem aber nicht. Ich habe eine leicht nach vorn geneigte Taille und ein ausgeprägtes und eher tiefliegendes Gesäß (rechts).

Ich brauche also viel mehr Länge in der hinteren Schrittnaht und auch mehr Tiefe, damit mein Gesäß vernünftig reinpasst.

Um das zu erreichen habe ich wieder die 2cm Länge direkt im Schritt zugegeben. Außerdem habe ich die ganze Schrittkurve deutlich länger auf der Schrittlinie laufen lassen und mit mehr Schwung nach oben geführt. Man kann direkt sehen, dass die rote Naht durch ihren Verlauf deutlich länger ist als die schwarze.

Wenn die Hose schmal sitzt, dann müsste man hier die Weite an der Seitennaht zugeben, damit die Hose nicht insgesamt zu eng wird. Das habe ich zunächst auch gemacht, aber das war letztlich nicht nötig, die Hinterhose war insgesamt weit genug.

Nach dieser Anpassung tauchte noch ein weiteres Problem auf, das ich bei Kaufhosen ebenfalls oft habe, denn nachdem die hintere Schrittnaht sich entspannt hatte und auch nicht mehr die vordere Schrittnaht nach unten zog, sah man, dass die Leibhöhe zu lang war und die Hose vorn im Schritt staucht. Also habe ich die Leibhöhe vorn und hinten ein wenig verringert.

Übrigens weiß ich auch meistens nicht, wie viel Länge mehr ich genau brauche oder wie tief ich den Schritt ziehen muss oder Ähnliches. Manchmal stecke ich am Probeteil ab, reiße auch mal einen Schlitz in das Probeteil um zu schauen, wie weit der Stoff aufklafft, oder ich schätze entweder oder versuche es halt einfach mal mit einem oder zwei Zentimeter, anhand des Unterschiedes kann man dann weitermachen und entweder noch mehr zugeben oder wieder etwas wegnehmen. Anpassungen haben - gerade wenn man nicht gelernt ist oder fachkundige Unterstützung hat - viel Versuch und Irrtum, aber dafür sind Probeteile ja da!

Und hier nun also die letzte Version meines Probeteils.


Die Querfalten oben am Bund resultieren aus einer immernoch etwas zu hohen Leibhöhe, aber dort kommen ja die 1,5cm für den Bund noch weg, daher habe ich nicht weiter gekürzt. Ganz leicht sieht man ein paar Falten, die sich zum Bauch ziehen. Man könnte durch Aufschneiden und aufklappen von der vorderen Mitte zur Seitennaht (wie oben gezeigt) etwas mehr Länge erzeugen, die ein ausgeprägter Bauch im Gegensatz zu einem flachen Bauch braucht, aber ich fand die Falten so unauffällig, das ich darauf verzichtet habe. Einen Bauch sollte man meines Erachtens nicht zu sehr ausformen, sonst wird er noch auffälliger. Außerdem verspreche ich mir vom Futter der Vorderhose einen besseren Fall als bei dem stumpfen Bomull. Die vordere Bügelfalte fällt gerade - ich hoffe, dass man die Striche auf dem Foto erkennen kann.


Auch die Seitennaht ist lotrecht. Die leichte Beule auf Hüfthöhe resultierte aus der Mehrweite, die ich zunächst eingeplant, aber inzwischen wieder rausgenommen habe.


Hinten sieht man, dass die Hose noch ein bisschen ins Gesäß zieht, außerdem ist die Bügelfalte nicht ganz gerade. Ich habe daher auf meinem Schnittmuster noch ein bisschen mehr Schwung eingezeichnet, aber vor allem habe ich bei der Probehose die Hinterhose nicht vorab in Form gebügelt. An der Hinterhose wird die Innenbeinnaht ungefähr 10cm vor dem Schritt auf 12cm Länge gedehnt; diese 2cm fehlen in dem Probeteil, daher zieht die Innenbeinnaht dort etwas nach oben und bringt auch die Bügelfalte aus dem Gleichgewicht. Ordentlich in Form gebügelt, dürften sich beide Probleme erledigt haben.

Puh, das waren ziemlich viele Erläuterungen und ich gratuliere allen, die bis hierhin durchgehalten haben. Vielleicht nutzen diese Ausführungen ja der ein oder anderen bei eigenen Anpassungen - ich hoffe, die Ausführungen waren verständlich, ansonsten sagt bitte Bescheid. Auch über Hinweise oder Verbesserungen freue ich mich.

Ich bin jetzt jedenfalls soweit zufrieden mit der Passform und dem Tragegefühl, dass ich mit diesem Modell nun ins Rennen gehe und meinen Wollstoff zuschneiden werde. Und dann sehen wir uns hoffentlich unter'm Weihnachtsbaum beim MeMadeMittwoch mit einer gut passenden Hose!

Sonntag, 1. Dezember 2024

Eine Hose für Heiligabend!

Auch in diesem Jahr wird beim MeMadeMittwoch ein gemeinsames Nähen für Weihnachten veranstaltet.

Ich habe bereits mehrfach teilgenommen - mal mehr, mal weniger erfolgreich. Dieses Jahr habe ich ambitionierte Pläne, denn ich möchte zum ersten Mal eine Hose nähen. Das klingt erstmal nicht so aufwendig, allerdings wird dieser Plan einige Probeteile und Anpassungen erfordern, denn Hosen sitzen bei mir regelmäßig leider nicht sehr gut. Immer ist die Taille zu weit oder die Hüfte zu eng, oft ist die hintere Schrittnaht zu kurz und/oder die vordere Schrittnaht zu lang. Aber ich habe Zeit und Lust das endlich anzugehen und was wäre besser geeignet als der Weihnachtskleid-Sewalong?

Aufgrund der vermutlich vielen Anpassungen habe ich schon ein bisschen vorgearbeitet. Stoff und Schnitt stehen und ich habe auch schon abgepaust.

Es wird ein glatter Wollstoff in Bordeauxrot unbekannter Herkunft. Der Stoff mit ganz leichtem Webmuster wollte schon immer eine Hose werden.

Der Hosenschnitt wird Simplicity 8243. Statt der Nahttaschen möchte ich lieber Hüftpassentaschen, weil ich finde, dass Nahttaschen in Hosen oftmals nicht so gut sitzen. Außerdem kann ich ohne Nahttaschen den Reißer, der eigentlich für die hintere Mitte vorgesehen ist, in die Seite verlegen, dort wird er weniger beansprucht und lässt sich bequemer öffnen und schließen. Im Übrigen möchte ich das vordere Bein bis zum Knie füttern und Gürtelschlaufen ergänzen.

Wenn mein Plan gelingt, dann möchte ich noch weitere Hosen nach diesem Schnitt nähen. Gern auch noch aus einem gröberen Wollstoff und einem Viskosekrepp sowie mit einem Aufschlag.

Heute und in der kommenden Woche werde ich mich den Anpassungen widmen und hoffentlich dann am nächsten Sonntag bereits ein passendes Probemodell präsentieren können - habt ihr Tipps oder Erfahrungen beim Nähen von Hosen?

Und wenn ihr auch in der Adventszeit etwas nähen möchtet, dann macht doch noch beim Weihnachtskleid-Sewalong mit!

Dienstag, 19. November 2024

Fertig: Wollkleid aus Schwabe der neue Schnitt 08/1950

Hier wird es langsam winterlich und so musste zuletzt ein Wollkleid für den Winter her.


Weil winterlich aber nicht trist heißen muss, habe ich mich für eine gewagte Farbkombination entschieden: Abseitenfischgrat von Zuleeg in Bistro Green, Fuchsia und Plum - der Stoff wurde mir für das Kleid zur Verfügung gestellt.


Der Stoff hat einen ordentlichen Wollanteil (41 %), daneben Baumwolle (45 %) und etwas Polyamid (14 %) und genau den richtigen Fall und das passende Gewicht für ein Kleid, das sowohl draußen warm hält als auch drinnen angenehm zu tragen ist - und trotz des hohen Wollanteils lässt er sich wunderbar direkt auf der Haut tragen. Der Stoff hat sich zudem völlig anstandslos vernähen, mit Vlieseline bekleben und bügeln lassen.


Als Schnitt habe ich mir ein Kleid aus Schwabe der neue Schnitt aus August 1950 ausgesucht. Ein schmales Kleid mit leichter Asymmetrie, Kragendetails und einer Drapierung an der Hüfte.


Ich habe wie immer eine Anpassung für die große Brust gemacht. In diesem Falle habe ich, statt mit Abnähern zu arbeiten, eine Naht im Oberteil gesetzt und die Mehrweiten, die ich zwar an der Brust brauche aber nicht an den Seiten, in diese Naht geschoben. Dadurch hat mein Oberteil nun eine Prinzessnaht. Dies ließ sich hier besonders gut umsetzen, weil das Schnittmuster ohnehin einen Abnäher aus der Schulter vorsah.


Dazu macht man zunächst eine normale Full Bust Adjustment (links), dann schneidet man das Oberteil über den Brustpunkt hinweg auf (mittig) und schließt den seitlichen Abnäher (rechts); die Teilungsnaht sollte schön weich verlaufen und macht euch am besten ein paar Markierungen, wo sich beide Teile treffen und natürlich nicht die Nahtzugabe vergessen.


Im Übrigen habe ich noch die Schulter vorn etwas tiefer gesetzt, weil trotz Schulterpolster zu viel Stoff an der Schulter war. Leider habe ich nicht daran gedacht, dass ich die Armkugel auch noch etwas hätte anheben müssen, daher werfen die Ärmel ein wenig Falten.

Das Oberteil hat keinen eigenen Verschluss und ich bin noch unsicher, ob die Überlappung allein alles da hält, wo es hingehört, aber im Zweifel werde ich einfach noch ein paar versteckte Druckknöpfe anbringen.


Am Rockteil habe ich vorn die Überlappung etwas erweitert, damit man nicht in die Knopfleiste hineinschauen kann und hinten etwas Weite zugegeben. Der Gehschlitz hinten sorgt für ausreichend Bewegungsfreiheit beim Gehen.


Und schließlich habe ich mir noch gedacht, dass ich in den Farben doch etwas eingeschränkt bin und es auch nicht immer ganz so auffällig möchte, daher habe ich mich entschieden, die Details in Fuchsia und Plum mit Druckknöpfen zu befestigen, sodass ich sie auch abmachen und das Kleid einfarbig tragen kann.


Einfarbig wirkt das Kleid sehr viel ruhiger und der Fokus richtet sich etwas mehr auf die hübschen Knöpfe und die Details wie den ebenfalls geknöpften Gürtel, die Ärmelmanschetten und den kleinen Schalkragen.


Ich bin sehr glücklich mit dem Kleid - es trägt sich traumhaft und ich mag sowohl die mehrfarbige wie auch die etwas reduzierte Variante. Welche gefällt euch besser?

Freitag, 8. November 2024

Fertig: Wollhemd für den Herren!


Der liebe Gatte hat ein neues Hemd bekommen - der Schnitt ist, wie schon mehrfach zuvor, Simplicity 4760. Der Schnitt ist sehr klassisch mit Manschetten, gerade geschnitten und mit kleiner Schlaufe am Kragen.


Das Aufregende an diesem Hemd ist aber weniger der Schnitt, sondern viel mehr der Stoff. Denn das ist ein Flanell, der zu 70 % aus feiner Schurwolle und zu 30 % aus Polyamid gewebt ist. Durch die Schurwolle ist der Stoff warm, weich und atmungsaktiv, außerdem nimmt Wolle kaum Gerüche oder Schmutz an. Der kleine Polyamidanteil macht den Stoff robuster und damit langlebiger. Der Stoff ist von Zuleeg und wurde mir für das Hemd zur Verfügung gestellt.

Das typische Muster aus Grün, Blau und Schwarz geht übrigens zurück auf das 1724 aufgestellte, schottische Black Watch Regiment. Es ist eines der wenigen Tartans, die an keine Clanzugehörigkeit gebunden sind und daher von jedem betragen werden können. Außerdem ist das eher dunkle Muster gut zu kombinieren und ein echter Klassiker.


Flanell ist aus meiner Sicht ein eher unterschätzter Stoff, oftmals abgestempelt als Nacht- oder Bettwäsche. Flanell ist ein zumeist leichtes bis mittelschweres Gewebe und wird in Leinwand- oder in Köperbindung hergestellt; sehr typisch sind Karomuster, weil diese sich mit den durchgefärbten Fäden gut weben lassen. Nach dem Weben wird der Stoff von beiden Seiten angeraut. So entsteht der weiche Griff und die wärmende Wirkung des Stoffes, denn zwischen den aufgerauten Fasern bilden sich kleine Luftkammern und die halten die Wärme am Körper; ideal, wenn man im Herbst und Winter draußen unterwegs ist und Bewegungsfreiheit braucht, aber trotzdem nicht frieren will.

Oftmals ist eine Stoffseite flauschiger als die andere und diese Seite gehört - wegen der wärmenden Eigenschaft - grundsätzlich nach innen, also an den Körper. Man kann aber auch die flauschigere Seite nach außen legen, wichtig ist, dass Flanell meistens eine bevorzugte Strichrichtung hat, also sollten alle Teile in die gleiche Richtung zugeschnitten werden.


Flanell sollte mit ausreichend breiter Nahtzugabe verarbeitet werden, damit das Gewebe sich nicht aus der Naht löst. Ich habe die Nähte direkt als Kappnähte genäht - dann sind die Kanten gleich versäubert und es ist weniger Zug auf der einzelnen Naht.

Als Verschluss hat der Gatte sich Perlmuttdruckknöpfe ausgesucht

Ich bin sehr zufrieden mit dem Hemd - der Stoff ist so weich und ließ sich anstandslos verarbeiten, das Hemd ist genau so geworden, wie der Gatte es sich gewünscht hat, und er berichtet von einem hervorragenden Tragekomfort!

Mittwoch, 2. Oktober 2024

Fertig: Bluse nach Simplicity 7708!


Die Bluse nach Simplicity 7708 ist einer meiner meistgenähten Schnitte (1, 2, 3, 4, 5, 6, 7), weil sich damit so schön Viskosestoffe verarbeiten lassen. In diesem Falle eine dunkelblaue Viskose mit großem Muster in blau, weiß und gelb; aufgrund der Farben und der Federn und Blätter erinnert das Muster fast ein wenig an Art déco.


Weil die Stoffmenge es hergab und ich die Bluse eher in den etwas kälteren Jahreszeiten tragen werde, hat sie lange Ärmel bekommen. Ich möchte sie besonders zum graublauen Cape tragen.

Auf Schulterpolster und Reißverschluss habe ich verzichtet, aber nachdem bereits bei einigen Blusen der Schlitz hinten am Kragen ausgerissen war, habe ich in der hinteren Mitte eine Naht eingefügt. Ansonsten nähte ich die Bluse unverändert.


Ansonsten gibt es nicht viel zu sagen, da ich den Schnitt schon so oft nähte, ging das leicht von der Hand und das Ergebnis ist genau wie erwartet. Den Hosenrock aus der Burda 06/2015 hate ich bereits gezeigt. Gestern trug ich dazu noch eine Strickjacke, weil es wirklich kalt geworden ist.
[Verlinkt beim MeMadeMittwoch]