
Heute zeige ich meinen Blazer, den ich unter fachkundiger Anleitung genäht habe und der daher die richtigen Einlagen und Polster bekommen hat, an den richtigen Stellen gebügelt wurde und bei dem ich viel per Hand genäht habe.

Den verwendeten Schnitt aus Schwabe Der neue Schnitt 10/1956 habe ich schon abgewandelt genäht, aber bislang noch nicht in seiner Ursprungsform, obwohl mir gerade die rasanten Taschen sehr gut gefallen. Weil ich den Schnitt schon genäht hatte, war er bereits angepasst.

Ich will den Blazer als Übergangsjacke nutzen. Den Wollstoff habe ich bei bei Stoffe Gädtke in Hamburg gekauft. Er ist in beige und braun gehalten und hat bunte Stipsel, sodass er quasi zu allem passt. Das Futter habe ich unaufgeregt farblich passend gewählt.

Weil der Wollstoff etwas dünn für eine Jacke war, habe ich den Stoff zunächst komplett mit Einlage verstärkt, damit er guten Stand hat und lange hält. Dann habe ich wie üblich erstmal die Teilungsnähte am Oberteil genäht und dann ging es an die Verarbeitung der Schulterpartie und Ärmel. Hier habe ich einiges an Einlagen und Polster verwendet:

Der Rosshaarplack wird im Oberteil zwischen Schulter und Brust eingenäht und sorgt dafür, dass der Stoff gleichmäßig fällt; insbesondere beim Schlüsselbein könnte er sonst etwas einsacken. Weil ich eine große Größe nähe, habe ich aber einen eigenen Plack angefertigt und nicht den gezeigten verwendet. Der Plack wird an der Schulter nur durch ein aufbügelbares Band befestigt, aber nicht in der Schulternaht gefasst, ansonsten würde das steife Rosshaar vermeiden, dass die Schulternaht sich schön legt. In der Ärmelnaht kann das Plack mitgefasst werden, weil dort die Nahtzugabe ohnehin in den Ärmel zeigt und das Plack Sprungkraft gibt.
Den zweiteiligen Ärmel habe ich zusammengefügt und dabei gemäß Schnittmuster den Oberärmel etwas eingehalten. Die Wattierung habe ich auf der Nahtzugabe der Armkugel genäht. Sie sorgt dafür, dass die Rundung an der Schulter weich fällt. Anschließend habe ich mit zwei Einhaltereihen, also Nähte mit hoher Stichlänge sowohl auf der Naht wie auch daneben auf der Nahtzugabe, die Armkugel über einen Bügelbock eingehalten und mit viel Dampf in Form gebügelt. Weil ich zuhause keinen passenden Bügelbock hatte, habe ich dort mit dem Ärmelbügelbrett und einem Handtuch improvisiert. Wenn der Ärmel nicht mehr vom Finger rutscht, ist er gut eingehalten.

Neben der Wattierung fanden auch die Ärmelfische Platz im Ärmel, nämlich der Ärmelfisch aus leichtem Rosshaar vorn für Sprungkraft und der aus Wattierung hinten für ein leichtes Polster. Ich habe - hier nicht auf dem Foto - außerdem noch einen Ärmelfisch in der oberen Kugel (engl. sleeve head) eingefügt, damit der Ärmel ab dem Schulterpunkt nicht runtersackt. Dazu kommen dann noch die Schulterpolster.

Rosshaar habe ich auch beim unteren Saum verwendet und dort einen bereits gebügelten Schrägsteifen aus Rosshaar angenäht. Dabei trifft die Bügelkante genau die Saumkante, so ist die Saumkante schön scharf und knittert nicht. Außerdem wird der Saum und das Futter dann nicht direkt im Oberstoff festgenäht, sondern nur auf dem Rosshaarstreifen.

Das Futter habe ich dann zunächst nur im Oberteil eingenäht und dann ganz am Ende die Futterärmel per Hand am Armloch eingenäht.

Insgesamt habe ich sehr viel gelernt bei dem Blazer und meine Fähigkeiten verbessert, zum Beispiel zum ersten Mal Knopflöcher per Hand genäht. Meine wichtigsten Erkenntnisse sind übrigens
- Nahtzugaben an Armloch und Ärmeln geringer wählen (hier: 1cm), damit diese besser einzuhalten sind
- Einlagen und Polster machen einen gehörigen Unterschied und jedes hat seine eigene Aufgabe
- Bügeln formt den Stoff neben den Nähten und der Schnittführung und dazu sind Hilfsmittel wie Bügelböcke (oder eben Handtücher) notwendig
- Ein Blazer braucht viel Zeit, Geduld und Handarbeit!

Ich bin sehr zufrieden mit dem Blazer und der Passform. Der Blazer war eindeutig bislang mein aufwendigstes Stück. Nicht alles hat auf Anhieb geklappt und ein oder zwei Kleinigkeiten sind sicherlich noch verbesserungsfähig - zum Beispiel würde ich nächstes Mal den Unterkragen etwas kleiner schneiden, die Schulter noch etwas verschmälern und auch der Sitz der hinteren Armkugel ist für meinen Geschmack noch zu unruhig. Das sind aber wirklich Kleinigkeiten, die außer mir wohl eh niemandem auffallen und vermutlich mir auch nicht mehr nach ein paar Mal tragen.

Seit ich den Blazer fertig habe, ist es leider zu warm dafür, aber ich freue mich schon auf den Herbst, wenn ich ihn oft tragen kann. Aus dem Stoffrest möchte ich außerdem wieder noch einen Rock nähen, sodass ich es als Kostüm tragen kann.

Ein paar weitere Details habe ich übrigens bei Instagram zusammengetragen [unter anderem auch ein Video vom Innenleben, wenn euch das näher interessiert] und wenn ihr Nachfragen habt, lasst es mich gern wissen!