Die Größenwahl stellt gerade beim Nähen immer wieder ein Ärgernis dar. Schließlich investiert man viel Zeit und Mühe in ein Kleidungsstück und kann dies nicht - wie bei Kleidung aus dem Laden - zurückhängen und einfach eine andere Größe probieren. Daher hier mal ein paar Aspekte, die ihr bei der Wahl der richtigen Größe beachten solltet:
Es war einmal eine Prinzessin in einem fernen Königreich, die einfach zum Kleiderschrank oder an ihr Nähkästchen gehen konnte, ihre eine Kleidergröße auswählte und alles passte ihr perfekt. Immer.
Hachja.. In Wahrheit haben wohl alle Frauen mindestens drei Kleidergrößen im Schrank. Während die Jeans bei der einen Marke in einer Größe passt, bekommt man sie bei einer anderen Marke in der gleichen Größe gar nicht über den Po. Und ein aufwendig genähtes Kleid entpuppt sich als Sack, obwohl man die korrekte Größe gewählt hat. Es ist ein Ärgernis, aber woran liegt das?
Konfektionsware ist noch gar nicht so alt - von kleineren Vorläufern abgesehen entwickelte sie sich erst Mitte des 19. Jahrhunderts. Ursprünglich eine Möglichkeit für die weniger gut Betuchten, die sich die teure Maßanfertigung nicht leisten konnten, entwickelte sich die Konfektionskleidung spätestens mit dem Aufkommen der Warenhäuser in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einem echten Verkaufsschlager. Mode war plötzlich erschwinglich und sofort verfügbar. Oft wurde zumindest damals die gekaufte Konfektionsware durch den hauseigenen Schneider noch final angepasst. Die genauen Maße legte jeder Konfektionär selbst fest. Ein einheitliches System gab es nicht - und gibt es bis heute nicht. Zwar gibt es seit den 1960er Jahren Reihenmessungen in der Bevölkerung, allerdings gibt es auch mehr als 50 Jahre später keine Norm. Jeder Hersteller entscheidet weiterhin selbst über seine Größen und welche Maße er mit welcher Größe 'übersetzt' - zB Damen mit einer Brustweite von 100cm tragen bei H&M eine 44 und bei C&A eine 42, aber müssen eine 46 bei Butterick nähen.
- Das Märchen von der Kaufgröße
- Das entscheidende Maß
- Zugabe! Zugabe!
- Stoff und Dehnbarkeit
- Kann ich ein Schnittmuster für Jersey auch aus Webware nähen?
- ..und welche ist nun die richtige Größe?
1. Das Märchen von der Kaufgröße
Es war einmal eine Prinzessin in einem fernen Königreich, die einfach zum Kleiderschrank oder an ihr Nähkästchen gehen konnte, ihre eine Kleidergröße auswählte und alles passte ihr perfekt. Immer.
Hachja.. In Wahrheit haben wohl alle Frauen mindestens drei Kleidergrößen im Schrank. Während die Jeans bei der einen Marke in einer Größe passt, bekommt man sie bei einer anderen Marke in der gleichen Größe gar nicht über den Po. Und ein aufwendig genähtes Kleid entpuppt sich als Sack, obwohl man die korrekte Größe gewählt hat. Es ist ein Ärgernis, aber woran liegt das?
Konfektionsware ist noch gar nicht so alt - von kleineren Vorläufern abgesehen entwickelte sie sich erst Mitte des 19. Jahrhunderts. Ursprünglich eine Möglichkeit für die weniger gut Betuchten, die sich die teure Maßanfertigung nicht leisten konnten, entwickelte sich die Konfektionskleidung spätestens mit dem Aufkommen der Warenhäuser in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einem echten Verkaufsschlager. Mode war plötzlich erschwinglich und sofort verfügbar. Oft wurde zumindest damals die gekaufte Konfektionsware durch den hauseigenen Schneider noch final angepasst. Die genauen Maße legte jeder Konfektionär selbst fest. Ein einheitliches System gab es nicht - und gibt es bis heute nicht. Zwar gibt es seit den 1960er Jahren Reihenmessungen in der Bevölkerung, allerdings gibt es auch mehr als 50 Jahre später keine Norm. Jeder Hersteller entscheidet weiterhin selbst über seine Größen und welche Maße er mit welcher Größe 'übersetzt' - zB Damen mit einer Brustweite von 100cm tragen bei H&M eine 44 und bei C&A eine 42, aber müssen eine 46 bei Butterick nähen.
Sich auf die "Kaufgröße" zu verlassen, bedeutet es dem Zufall zu überlassen, ob ein Kleidungsstück am Ende passt oder nicht.
2. Das entscheidende Maß
Besser, als sich einer willkürlichen Einteilung zu unterwerfen, ist es einfach mit den Maßen zu arbeiten - ein Zentimeter ist für uns alle gleich lang.
Unser Körper ist in diesem Fall das Maß aller Dinge. Der muss reinpassen und am besten auch gut verpackt sein. Also solltet ihr selbstverständlich damit starten eure Körpermaße zu bestimmen. Eine Übersicht über das Maßnehmen findet ihr hier aus dem Jahr 1955.
Gemessen werden sollte übrigens immer von einer anderen Person über der Kleidung. Stellt euch dabei entspannt, aber gerade hin und tragt normale Wäsche, also zB nicht Formwäsche, wenn ihr sonst keine anhabt o. Ä. Dann kommen die unverfälschten und ehrlichen Daten dabei raus.
Grundsätzlich wählt man ein Schnittmuster nach dem größten Maß, denn es muss ja alles reinpassen und nachträglich verkleinern ist möglich, aber vergrößern nicht. Wichtig an dieser Stelle ist aber nicht nur das Maß als blanke Zahlen, sondern auch bestimmte Abweichungen und Änderungen mit einzubeziehen. Habt ihr zB viel Brust solltet ihr die Oberbrustweite messen, falls ihr einen sehr langen Oberkörper habt, dann müsste ihr das Oberteil ohnehin verlängern und braucht nicht so sehr auf die Rückenlänge achten und breite Hüften kann man bei einem weiten Rockteil ohnehin vernachlässigen.
Die Körpermaßtabelle beschreibt die Körpermaße, für die die jeweilige Größe gemacht ist. Aus ihr kann man also entnehmen welches Körpermaß der Hersteller für die jeweilige Größe im Sinn hatte. Nicht ersichtlich daraus ist welche Zugaben im Schnittmuster noch enthalten sind.
Die Fertigmaßtabelle beinhaltet das Maß des fertigen Kleidungsstückes. Zur Bestimmung der Größe ist sie besser geeignet (zB bei Simplicity, Vogue, McCalls und Butterick verstecken sich teilweise die Fertigmaße zumindest von Brust, Taille und Hüfte direkt auf dem Schnittmusterbogen!).
Beispiel: Ein Mieder wird sehr körpernah getragen. Das Körpermaß der Taille sei 80cm und auch das fertige Mieder ist in der Taille 80cm weit. Ein lockeres Shirt hat immernoch ein Körpermaß von 80cm, aber das fertige Kleidungsstück ist 100cm, denn es soll ja locker sitzen. Wenn ich es so locker nicht mag, dann nähe ich eine Größe kleiner - das kann ich aber nur anhand des Fertigmaßes sehen, denn das Körpermaß ist für beide Modelle weiterhin 80cm.
a) Körpermaß
Unser Körper ist in diesem Fall das Maß aller Dinge. Der muss reinpassen und am besten auch gut verpackt sein. Also solltet ihr selbstverständlich damit starten eure Körpermaße zu bestimmen. Eine Übersicht über das Maßnehmen findet ihr hier aus dem Jahr 1955.
Gemessen werden sollte übrigens immer von einer anderen Person über der Kleidung. Stellt euch dabei entspannt, aber gerade hin und tragt normale Wäsche, also zB nicht Formwäsche, wenn ihr sonst keine anhabt o. Ä. Dann kommen die unverfälschten und ehrlichen Daten dabei raus.
Grundsätzlich wählt man ein Schnittmuster nach dem größten Maß, denn es muss ja alles reinpassen und nachträglich verkleinern ist möglich, aber vergrößern nicht. Wichtig an dieser Stelle ist aber nicht nur das Maß als blanke Zahlen, sondern auch bestimmte Abweichungen und Änderungen mit einzubeziehen. Habt ihr zB viel Brust solltet ihr die Oberbrustweite messen, falls ihr einen sehr langen Oberkörper habt, dann müsste ihr das Oberteil ohnehin verlängern und braucht nicht so sehr auf die Rückenlänge achten und breite Hüften kann man bei einem weiten Rockteil ohnehin vernachlässigen.
b) Körpermaßtabelle
Die Körpermaßtabelle beschreibt die Körpermaße, für die die jeweilige Größe gemacht ist. Aus ihr kann man also entnehmen welches Körpermaß der Hersteller für die jeweilige Größe im Sinn hatte. Nicht ersichtlich daraus ist welche Zugaben im Schnittmuster noch enthalten sind.
c) Fertigmaßtabelle
Die Fertigmaßtabelle beinhaltet das Maß des fertigen Kleidungsstückes. Zur Bestimmung der Größe ist sie besser geeignet (zB bei Simplicity, Vogue, McCalls und Butterick verstecken sich teilweise die Fertigmaße zumindest von Brust, Taille und Hüfte direkt auf dem Schnittmusterbogen!).
Beispiel: Ein Mieder wird sehr körpernah getragen. Das Körpermaß der Taille sei 80cm und auch das fertige Mieder ist in der Taille 80cm weit. Ein lockeres Shirt hat immernoch ein Körpermaß von 80cm, aber das fertige Kleidungsstück ist 100cm, denn es soll ja locker sitzen. Wenn ich es so locker nicht mag, dann nähe ich eine Größe kleiner - das kann ich aber nur anhand des Fertigmaßes sehen, denn das Körpermaß ist für beide Modelle weiterhin 80cm.
..Dein Schnittmuster hat aber keine Fertigmaßtabelle? Leider haben viele Schnittmuster keine Fertigmaßtabelle (Burda ist so ein Beispiel), dann hilft auch nur nachmessen (Achtung: Schnittmuster von ausländischen Herstellern haben in der Regel die Nahtzugabe bereits enthalten, dann muss diese beim Messen natürlich abgezogen werden!).
Nun haben wir schon über Zugaben gesprochen, aber welche Zugaben gibt es denn?
Beginnen wir mit der klassischen Nahtzugabe. Die Nahtzugabe brauchen wir, damit unser Stoff genug Halt an der Naht hat. Eine fehlende oder zu kleine Nahtzugabe sorgt dafür, dass die Naht zusammen mit ein paar Fäden einfach aus dem Gewebe gezogen wird (kann man gut beobachten, wenn Webware mit der Overlock genäht wird). Wir können auf der Nahtzugabe auch Dinge verstecken, zB wenn Falten nur in der Nahtzugabe abgenäht werden und so dem Stoff schon eine Richtung vorgeben. Außerdem erlaubt die Nahtzugabe kleinere Korrekturen, falls wir versehentlich doch zu klein genäht haben.
Wie schon erwähnt wird die Nahtzugabe in deutschen Schnittmuster in der Regel erst zugegeben und ist daher für die Größenbestimmung unerheblich, bei ausländischen Herstellern ist die Nahtzugaben meist bereits im Schnitt vorhanden. Ob die Nahtzugabe schon vorhanden ist oder nicht und wie groß sie ist, kann man den Hinweisen oder Erläuterungen zum jeweiligen Schnittmuster entnehmen.
Kennt ihr das Gefühl, wenn man sich in einem zu engen Kleidungsstück nicht bewegen oder nicht mal atmen kann? Der Stoff lässt es nicht zu - und aus genau diesem Grund brauchen wir Zugaben zu unseren Körpermaßen für Bewegung und Bequemlichkeit (im englischen meistens mit "ease" bezeichnet). Erst diese Zugaben erlauben es, dass wir uns frei bewegen können, also zB uns hinzusetzen, drehen oder bücken können. Je enger (bis einschnürend) ein Kleidungsstück sein soll oder je dehnbarer der empfohlene Stoff ist, desto kleiner wird diese Zugabe. Entsprechend sind im Umkehrschluss zB für (auch körpernahe) Jacken und Mäntel die Zugaben größer, da man darunter in der Regel ja noch andere Bekleidung trägt.
Für einen Bleistiftrock liegt die Zugabe beispielsweise in der Taille bei 2cm und in der Hüfte bei 2-4cm. Eine körpernahe Bluse braucht 5-7cm Zugabe an der Brust, aber ein Dirndl nur 3-5cm. Jacken und Mäntel brauchen mindestens 7-10cm Zugaben. Diese Angaben variieren ebenfalls je Hersteller, Modegeschmack und Modell, daher soll dies hier nur als eine kleine Richtungsweisung und keine Regel verstanden werden.
Letztlich gibt es Zugaben, die ausschließlich dem Design zugerechnet werden, also je nachdem wie locker oder wie körpernah ein Kleidungsstück sitzen soll und auch wie der Modegeschmack der Zeit sich gestaltet. Beispiele dafür sind zB Schlaghosen oder Oversize. Diese Zugaben haben weder für die Anfertigung noch den Tragekomfort Bedeutung, sondern dienen ausschließlich dem Design.
Entscheidend, besonders für die Bequemlichkeitszugabe, ist auch die Dehnbarkeit oder Elastizität des Stoffes, also die Fähigkeit des Stoffes sich bei Krafteinwirkung zu ändern (also länger zu werden) und nach Wegfall des Zuges in seine Ursprungsform zurückzukehren.
Dehnbarkeit wird dabei in der Regel als Eigenschaft der Maschenware (hier zu unterscheiden Wirk- und Strickware) beschrieben. Das sind zB Bündchen, Jersey, Strickstoffe. Sie dehnen sich dadurch, dass die einzelnen Fäden miteinander verschlungen sind und durch Zug spannen sich diese Fäden und geben so mehr Länge frei.
Nicht dehnbar, sondern vielmehr elastisch können auch gewebte Stoffe sein, wenn sie einen elastischen Stoffanteil (zB Elastan) haben. Dieser sorgt dann für die Elastizität. Der Einfachheit halber bleibe ich aber begrifflich bei "dehnbar".
Je dehnbarer der Stoff ist, desto mehr kann der Stoff in der Bewegung benötigtes Spiel zulassen. So wird zB ein Badeanzug mit einer "negative ease", also einer negativen Bequemlichkeitszugabe genäht, denn Lycra ist sehr dehnbar und ein Badeanzug muss straff sitzen, damit er keine Falten schlägt. Auch Bündchen oder körpernahe Strickwaren sind so ein Bespiel, denn diese werden in der Regel ebenfalls kleiner zugeschnitten als eigentlich notwendig und müssen das auch, denn nur dann liegen sie eng an.
An sich kann man das natürlich machen - es ist aber nicht zu empfehlen. Die Zugaben an Schnittmustern für Wirkware ist einfach eine andere, zB kann man den Ärmel enger machen, denn die notwendige Weite wird (auch) aus der Dehnbarkeit erreicht. Näht man dieses nun aus Webware, dann würd man vermutlich eine Größe größer wählen müssen, aber auch dort ist der Ärmel auf Dehnbarkeit angelegt. Und daneben hat der Stoff halt auch andere Eigenschaften zB was den Stand oder das Gewicht betrifft, so wird ein andersrum aus Jersey genähtes Kleid, das eigentlich für Webware gedacht ist, plötzlich schwer herunterhängen anstatt blusig herumzuflattern.
Ich würde euch immer empfehlen einen zum Schnittmuster passenden Stoff zu wählen und andersherum. Je dehnbarer der geforderte Stoff ist, desto mehr ist davon abzuraten einen undehnbaren Stoff zu verwenden - oder würdet ihr einen Badeanzug aus Webware nähen..?
Die richtige Größe ist eine Mischung aus all diesen Dingen, also zusammengefasst: Ihr messt euch aus und rechnet die Zugaben für Bequemlichkeit, Stoffeigenschaften und gewünschter Körpernähe ab oder zu und vergleicht das Ergebnis dann mit den Maßen des fertigen Kleidungsstückes.
Das klingt alles viel komplizierter als es tatsächlich ist. Das Ausmessen macht ihr ja nicht bei jedem Schnitt auf's Neue und für die gewünschte Körpernähe hat man auch schnell ein Gefühl. Lediglich die Stoffeigenschaften sind nicht so leicht zu beurteilen, aber wenn man sich nach der Stoffempfehlung richtet und vielleicht auch den Stoff mal probehalber an sich ranhält, lässt auch dies sich in der Regel gut lösen.
Falls ihr bereits ein Kleidungsstück besitzt, das so sitzt, wie ihr es gern habt, dann könnte ihr auch dieses messen und als Grundlage zur Größenbestimmung verwenden - falls der Stoff die gleichen oder zumindest ähnliche Eigenschaften hat.
Nun sind wir am Ende dieses Beitrages angelangt. Ich hoffe, ich habe nichts vergessen oder völlig falsch oder umständlich erklärt. Hoffentlich hat es euch gefallen und ihr konntet neue Erkenntnisse mitnehmen. Falls ihr Ergänzungen, Fragen oder Hinweise habt, dann schreibt sie sehr gern in die Kommentare. Der Beitrag hat Dir gefallen? Dann teile ihn doch - ich würde mich freuen!
3. Zugabe! Zugabe!
Nun haben wir schon über Zugaben gesprochen, aber welche Zugaben gibt es denn?
a) Nahtzugabe
Beginnen wir mit der klassischen Nahtzugabe. Die Nahtzugabe brauchen wir, damit unser Stoff genug Halt an der Naht hat. Eine fehlende oder zu kleine Nahtzugabe sorgt dafür, dass die Naht zusammen mit ein paar Fäden einfach aus dem Gewebe gezogen wird (kann man gut beobachten, wenn Webware mit der Overlock genäht wird). Wir können auf der Nahtzugabe auch Dinge verstecken, zB wenn Falten nur in der Nahtzugabe abgenäht werden und so dem Stoff schon eine Richtung vorgeben. Außerdem erlaubt die Nahtzugabe kleinere Korrekturen, falls wir versehentlich doch zu klein genäht haben.
Wie schon erwähnt wird die Nahtzugabe in deutschen Schnittmuster in der Regel erst zugegeben und ist daher für die Größenbestimmung unerheblich, bei ausländischen Herstellern ist die Nahtzugaben meist bereits im Schnitt vorhanden. Ob die Nahtzugabe schon vorhanden ist oder nicht und wie groß sie ist, kann man den Hinweisen oder Erläuterungen zum jeweiligen Schnittmuster entnehmen.
b) Bequemlichkeitszugabe & Bewegungszugabe
Kennt ihr das Gefühl, wenn man sich in einem zu engen Kleidungsstück nicht bewegen oder nicht mal atmen kann? Der Stoff lässt es nicht zu - und aus genau diesem Grund brauchen wir Zugaben zu unseren Körpermaßen für Bewegung und Bequemlichkeit (im englischen meistens mit "ease" bezeichnet). Erst diese Zugaben erlauben es, dass wir uns frei bewegen können, also zB uns hinzusetzen, drehen oder bücken können. Je enger (bis einschnürend) ein Kleidungsstück sein soll oder je dehnbarer der empfohlene Stoff ist, desto kleiner wird diese Zugabe. Entsprechend sind im Umkehrschluss zB für (auch körpernahe) Jacken und Mäntel die Zugaben größer, da man darunter in der Regel ja noch andere Bekleidung trägt.
Für einen Bleistiftrock liegt die Zugabe beispielsweise in der Taille bei 2cm und in der Hüfte bei 2-4cm. Eine körpernahe Bluse braucht 5-7cm Zugabe an der Brust, aber ein Dirndl nur 3-5cm. Jacken und Mäntel brauchen mindestens 7-10cm Zugaben. Diese Angaben variieren ebenfalls je Hersteller, Modegeschmack und Modell, daher soll dies hier nur als eine kleine Richtungsweisung und keine Regel verstanden werden.
c) Designzugabe
Letztlich gibt es Zugaben, die ausschließlich dem Design zugerechnet werden, also je nachdem wie locker oder wie körpernah ein Kleidungsstück sitzen soll und auch wie der Modegeschmack der Zeit sich gestaltet. Beispiele dafür sind zB Schlaghosen oder Oversize. Diese Zugaben haben weder für die Anfertigung noch den Tragekomfort Bedeutung, sondern dienen ausschließlich dem Design.
4. Stoff und Dehnbarkeit
Entscheidend, besonders für die Bequemlichkeitszugabe, ist auch die Dehnbarkeit oder Elastizität des Stoffes, also die Fähigkeit des Stoffes sich bei Krafteinwirkung zu ändern (also länger zu werden) und nach Wegfall des Zuges in seine Ursprungsform zurückzukehren.
Dehnbarkeit wird dabei in der Regel als Eigenschaft der Maschenware (hier zu unterscheiden Wirk- und Strickware) beschrieben. Das sind zB Bündchen, Jersey, Strickstoffe. Sie dehnen sich dadurch, dass die einzelnen Fäden miteinander verschlungen sind und durch Zug spannen sich diese Fäden und geben so mehr Länge frei.
Nicht dehnbar, sondern vielmehr elastisch können auch gewebte Stoffe sein, wenn sie einen elastischen Stoffanteil (zB Elastan) haben. Dieser sorgt dann für die Elastizität. Der Einfachheit halber bleibe ich aber begrifflich bei "dehnbar".
Je dehnbarer der Stoff ist, desto mehr kann der Stoff in der Bewegung benötigtes Spiel zulassen. So wird zB ein Badeanzug mit einer "negative ease", also einer negativen Bequemlichkeitszugabe genäht, denn Lycra ist sehr dehnbar und ein Badeanzug muss straff sitzen, damit er keine Falten schlägt. Auch Bündchen oder körpernahe Strickwaren sind so ein Bespiel, denn diese werden in der Regel ebenfalls kleiner zugeschnitten als eigentlich notwendig und müssen das auch, denn nur dann liegen sie eng an.
5. Kann ich ein Schnittmuster für Jersey auch aus Webware nähen?
An sich kann man das natürlich machen - es ist aber nicht zu empfehlen. Die Zugaben an Schnittmustern für Wirkware ist einfach eine andere, zB kann man den Ärmel enger machen, denn die notwendige Weite wird (auch) aus der Dehnbarkeit erreicht. Näht man dieses nun aus Webware, dann würd man vermutlich eine Größe größer wählen müssen, aber auch dort ist der Ärmel auf Dehnbarkeit angelegt. Und daneben hat der Stoff halt auch andere Eigenschaften zB was den Stand oder das Gewicht betrifft, so wird ein andersrum aus Jersey genähtes Kleid, das eigentlich für Webware gedacht ist, plötzlich schwer herunterhängen anstatt blusig herumzuflattern.
Ich würde euch immer empfehlen einen zum Schnittmuster passenden Stoff zu wählen und andersherum. Je dehnbarer der geforderte Stoff ist, desto mehr ist davon abzuraten einen undehnbaren Stoff zu verwenden - oder würdet ihr einen Badeanzug aus Webware nähen..?
6. ..und welche ist nun die richtige Größe?
Die richtige Größe ist eine Mischung aus all diesen Dingen, also zusammengefasst: Ihr messt euch aus und rechnet die Zugaben für Bequemlichkeit, Stoffeigenschaften und gewünschter Körpernähe ab oder zu und vergleicht das Ergebnis dann mit den Maßen des fertigen Kleidungsstückes.
Das klingt alles viel komplizierter als es tatsächlich ist. Das Ausmessen macht ihr ja nicht bei jedem Schnitt auf's Neue und für die gewünschte Körpernähe hat man auch schnell ein Gefühl. Lediglich die Stoffeigenschaften sind nicht so leicht zu beurteilen, aber wenn man sich nach der Stoffempfehlung richtet und vielleicht auch den Stoff mal probehalber an sich ranhält, lässt auch dies sich in der Regel gut lösen.
Falls ihr bereits ein Kleidungsstück besitzt, das so sitzt, wie ihr es gern habt, dann könnte ihr auch dieses messen und als Grundlage zur Größenbestimmung verwenden - falls der Stoff die gleichen oder zumindest ähnliche Eigenschaften hat.
Schlusswort
Nun sind wir am Ende dieses Beitrages angelangt. Ich hoffe, ich habe nichts vergessen oder völlig falsch oder umständlich erklärt. Hoffentlich hat es euch gefallen und ihr konntet neue Erkenntnisse mitnehmen. Falls ihr Ergänzungen, Fragen oder Hinweise habt, dann schreibt sie sehr gern in die Kommentare. Der Beitrag hat Dir gefallen? Dann teile ihn doch - ich würde mich freuen!
Psst... Du hast in Punkt 2 b - der Körpermaßtabelle einen Fehler.
AntwortenLöschenDie Körpermaßtabelle enthält nur die Körpermaße.
Keine Zugaben für Design und Bequemlichkeit - die gibt's nur in der Fertigmaßtabelle.
Vielen Dank für den Hinweis, ich habe es nochmal etwas klarer formuliert :)
LöschenEine wunderbare Zusammenfassung der wichtigen Punkte zur Größenwahl. Dass es bei Burda keine Fertigmaße gibt (auch nicht bei den Einzelschnitten) finde ich sehr schade - da sind mir die englisch/amerikanischen Schnittmuster wirklich lieber und es gibt schneller Näherfolge. Die Körperlänge ist eine weitere Kenngröße zur richtigen Passform, bzw. das wissen Wo die Länge steckt im Oberkörper oder in den Beinen ... ich muss die Oberteile oft um 1,5, cm kürzen und beim Saum 6 cm zugeben.... LG Kuestensocke
AntwortenLöschenJa, das stimmt, die Längen sind genauso wichtig wie die Weiten - egal ob Lang- oder Kurzgröße oder einfach nur anders verteilt als im Schnittmuster vorgegeben.
LöschenDas ist so perfekt geschrieben, danke für deine Mühe.
AntwortenLöschenVielen Dank für deine tolle Erklärung.
AntwortenLöschenLiebe Grüße Madlen
Ein interessanter und hilfreicher Beitrag, den ich sehr gern gelesen habe. Danke & LG Manuela
AntwortenLöschen. Hallo, vielen Dank für all die schönen Artikel, dein Blog ist sehr inspirierend und informativ ausserdem legst du so viel Privates rein daß ich mich beim Aufrufen von beschwingtes Allerlei immer freue als würde ich eine Freundin treffen. Ich habe auch gerade ein Passform Problem - Lutherloh, einfaches Shirt und an der Taille (auf dem Schnitt) 19 cm zu viel das kommt mir als Bequemlichkeitszugabe etwas zu bequem vor Na mal sehen was da heraus kommt. Vielen Dank noch einmal für deinen Blog und die Liebe und Mühe, die du hier reinsteckst
AntwortenLöschenHallo Mickie,
Löschenvielen Dank für Deine lieben Worte :) Ich hoffe, Dein Shirt ist gelungen?
Liebe Grüße, Anne
Hallo! Deine Artikel sind so informativ und verständlich geschrieben. Vielen Dank! Ich habe schon so viel bei Dir gelernt. Deine Zusammenfassung (mit Bildern) wie Ärmel geändert werden müssen, wenn sie solche oder solche Falten bilden... ich kann garnicht sagen, wie oft ich da schon nachgeschaut habe. Vielen Dank für Deine lehrreichen und doch so verständlichen Erklärungen!
AntwortenLöschenViele Grüße Anna
Vielen Dank, super erklärt. Ich tue mich immer noch etwas schwer mit dem Entscheid der richtigen Grösse obwohl ich auch schon selber Schnittmuster gezeichnet habe, und das grundlegende Prinzip verstehe. Jetzt weiss ich auch wo das Problem lag. Ich habe bei vielen Schnittmustern keine Angaben zu den Fertigmassen, bzw. muss diese dann anhand des Schnittmusters ausmessen.
AntwortenLöschenSuper Beitrag, vielen Dank!